Ich wurde von einer Teilnehmerin des ersten Lehrganges mit dieser Geschichte beschenkt. Sie berührt mich zutiefst und darum möchte ich sie Dir, liebe/r Besucher/In, widmen! Sie beschreibt auf so deutliche Weise, den tantrischen Gedanken, wenn Du den Moment erkennen kannst, mutig bist und Dich hingibst!
Alles Liebe
Claudia von YabYum
Der Zaun von Waldefried Pechtl
Ich schlenderte dahin
und fand auf meinem Weg wieder diesen Zaun.
Weit und breit keine Öffnung, kein Durchkommen.
Abweisend und drohend in seiner Bauweise.
Vor vielen Jahren sah ich ihn das erste Mal.
Damals wollte ich ihn noch übersteigen, überwinden und blickte hinüber.
Eine zauberhafte Wiese mit wunderschönen Blumen breitete sich vor mir aus.
Blaue Veilchen stimmten meine Seele auf die Natur ein.
Rote Rosen öffneten hingebungsvoll mein Herz.
Bunte Orchideen erfüllten mein Wesen mit erregender Freude.
Fassungslos wollte und konnte ich den Anblick nicht ertragen.
Unvorbereitet traf mich die Wucht einer Ganzheit und Vollkommenheit,
der ich noch nicht gewachsen war.
Mein Blick senkte sich, und wie einen rettenden Strohhalm
fand mein Aufgewühltsein den Zaun.
Zitternd hielt ich mich fest, lehnte mich an.
Ohne die Grenzen zu überschreiten wurde ich ihr bester Liebhaber, um vergessen zu können.
Grenzenlos fand ich Grenzen; wo keine waren, schuf ich sie.
Mein Lebensinhalt war der Zaun geworden.
Mit jedem und allen sprach ich über ihn, verklärte ihn, machte ihn unüberwindbar
und vergaß mit der Zeit die jenseitige Welt.
Ich war älter geworden, meine Augen waren müde vom Ausschauhalten nach Grenzen.
Meine Lebensaufgabe war der Halt am Zaun.
Ich war zufrieden, aber friedlos. Ich war freundlich, ohne Freude zu empfinden.
Ich war tüchtig, aber verschlossen.
Ein Schmetterling flatterte den Zaun entlang.
Mein Blick folgte seinem tanzenden Flug, verlor sich in der Leichtigkeit seiner Bewegung.
Wie von einem Windstoß getroffen, überquerte er plötzlich den Zaun.
Unverhofft sehe ich wieder die Wiese jenseits des Zaunes.
Ich sehe eine Welt, meine Welt, voller Blumen, Farben und Gefühle,
die ich vergessen glaubte, die aber wahr waren, wie ich selbst.
Ich spüre ein Sehnen, ein Hingezogen-Sein zum unerreichbar Scheinenden.
Langsam richte ich mich auf und wage das Unmögliche.
Ich gehe durch den Zaun, höre hinter mir die Ketten
meiner Vorstellungen und Einbildungen fallen.